Die Eurozone steht vor wirtschaftlichen Herausforderungen, trotz sinkender Inflation und niedriger Arbeitslosenzahlen, warnt Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle Investments, in seinem aktuellen Marktkommentar. Die Energiepreise bleiben weiterhin auf einem hohen Niveau, das über dem vor dem Ukrainekrieg lag. Gleichzeitig sorgen Unternehmenspleiten und steigende Zinsen für Pessimismus und führen dazu, dass Verbraucher vermehrt sparen. Bell prognostiziert, dass die Zinsen weiter steigen werden und eine schrumpfende Wirtschaft im Winter immer wahrscheinlicher wird. Das Vertrauen sowohl bei Verbrauchern als auch bei Unternehmen schwindet, obwohl die Inflation sinkt und die Beschäftigungsraten auf Rekordhöhe sind. Bell nennt mehrere Gründe dafür: Die Energiepreise liegen immer noch weit über den Niveaus vor dem russischen Gashahn-Stopp, was deutsche Unternehmen, die auf günstiges russisches Gas angewiesen sind, in ihrer Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt. Trotz einer niedrigen Arbeitslosenrate und einem weiteren Rückgang in Deutschland verunsichern Schlagzeilen über Unternehmenspleiten sowohl Verbraucher als auch Unternehmer. Wenn dann noch steigende Zinsen hinzukommen, ist eine Untergangsstimmung vorprogrammiert, so Bell. Das fehlende Vertrauen führt dazu, dass Verbraucher weniger bereit sind, ihr während der Covid-Krise angespartes Kapital auszugeben. Es gibt zwar Ausnahmen wie den boomenden Einzelhandel in Spanien, aber das bestätigt eher die Regel, erklärt Bell. Angesichts einer Inflation, die das Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) deutlich übersteigt, ist Bell überzeugt, dass die Leitzinsen weiter steigen werden. Die Aussicht auf eine schrumpfende Wirtschaft im Winter wird immer realistischer, auch wenn die Arbeitslosenrate nur marginal steigen dürfte.